Matthias Bachmann ist Trailläufer aus Leidenschaft und absolviert mehrere Ultras pro Jahr. In der Running-Story erzählt er, wie er sich für diese Herausforderungen motiviert, was er während der Rennen erlebt und wieso er seine Videokamera immer dabei hat.
Matthias Bachmann, du pflegst als Inhaber und CEO der angesehenen Luzerner Confiserie gleichen Namens ein besonderes Hobby: Trailrunning. Erkläre.
Matthias Bachmann: Die Sommermonate mit den Trailruns sind die schönste Zeit des Jahres. Da kann ich mein Hobby mit voller Leidenschaft ausleben. Ich tue dies immer ähnlich: Ich melde mich frühzeitig für verschiedene Ultras an. So setze ich mich unter Druck. Ich muss trainieren. Aber ich werde immer wieder auf grandiose Art belohnt.
Kannst du das ausführen?
Da sind die Schönheiten der Natur: die Berge, Wälder, Blumenwiesen, die kargen Einöden. Und das in Kombination mit der Auseinandersetzung mit dir selber und mit deinem Körper. Du bist gefordert. Erlebst Hartes. Und du bist aufs Minimum reduziert. Das ist wie Meditation für mich. Ich befreie mich aus dem Alltag, kapsle mich komplett ab und konzentriere mich ausschliesslich auf die Signale des Körpers. Da sind alle Probleme und „Sörgeli“ plötzlich weit weg.
Dafür ist das Hier und Jetzt zentral.
Genau. Bei ganz langen Läufen kommt es in einer solchen Erschöpfungsphase nach 150, 160, 170 Kilometern zu Halluzinationen. Ich sehe beispielsweise in einer Tanne ein Haus – wahrscheinlich, weil ich mich nach Zivilisation sehne. Manchmal sind es aber auch Elefanten und Giraffen, welche erscheinen. Und jeder grössere Stein hat ein Gesicht. Oft lacht dieses mich an oder aus. Als ich das erstmals erlebte, war ich verunsichert: Was passiert jetzt mit mir? Wie geht es weiter? fragte ich. Mittlerweile bin ich weitergekommen. Ich weiss, es passiert nichts. Und interessant dabei…
Bitte sehr?
Du weisst immer genau, dass diese Bilder nicht der Realität entsprechen und versuchst, diese wegzudenken. Aber das gelingt nicht. Sie bleiben da.
Wieso?
Es handelt sich um Reaktionen des Gehirns. Auch dieses zentrale Organ ist am Limit.
Und im Ziel?
Weisst du gar nichts mehr. Nicht mehr welcher Tag ist, welcher Monat. Nicht mehr, wo das Auto parkiert ist. Da braucht es einen Neustart. Ich sage: Das ist, wie wenn du den Computer rebooten würdest.
Nicht ungeheuer solche Erlebnisse?
Nicht mehr mit der Erfahrung. Schnell wächst daraus nämlich ein gewaltiges Glücksgefühl. Da melden sich Bilder, Eindrücke, Empfindungen zurück. Dieser Moment macht süchtig. Du fühlst dich wie neu geboren. Und aus dem „nie wieder“, das dich unterwegs und zuerst im Ziel begleitete, entwickelt sich rasch ein zentraler Wunsch: Dieses Gefühl erneut suchen, nochmals erleben. Es ist so einmalig, verbunden mit einem derart tiefen Glücksgefühl. Dann ist schnell klar: Es geht weiter.
Und du verarbeitest das Erlebte auf deine Weise.
So ist es. Früher schrieb ich Blogs. Seit einigen Jahren aber verfolge ich eine Art der Verarbeitung, die mir viel mehr Tiefgang ermöglicht. Auf meinen Trail-Rennen, aber auch im Training trage ich mein Stativ und meine Videokamera mit, die zusammen nur rund 300g wiegen. So entstehen Filme von 6 bis 10 Minuten Länge. Diese lade ich jeweils auf Youtube und Instagram hoch. Für mich handelt es sich um eine grossartige Möglichkeit zum Vertiefen, Dokumentieren und Konservieren.
Auch das: keine Husch-husch-Arbeit…
(lacht). Nicht wirklich. Die Arbeit beginnt unmittelbar nach dem Rennen und ist sehr aufwändig. Bis ich alles sauber zusammengestellt und geschnitten habe, vergehen 2 bis 3 Wochen. Ich arbeite für jede Filmsekunde und komprimiere die bis zu 47 Laufstunden auf die wenigen Film-Minuten. Dazu suche ich die passende Musik, die untermalt.
Was passiert dabei mit dir?
Ich durchlebe das Rennen nochmals. Mein Ansatz: Ich tauche ein und will das Suchen der Grenzen im physischen und psychischen Bereich übermitteln. Dabei kann ich das Rennen nochmals richtig auskosten und sich setzen lassen. Erst mit dem fertiggestellten Film ist das Rennen umfassend abgeschlossen. Mittlerweile habe ich über 30 solcher Filme – etliche auch von Trainingsläufen.
Gibt’s Aussenfaktoren, welche die «Werke» beeinflussen?
Natürlich. Das Wetter ist wichtig. Wenn’s so schön ist wie jüngst am Eiger Ultra Trail E101, fällt das Laufen leichter. Und beim Filmen entstehen die eindrücklicheren Bilder. Und was ich auch sagen will: In der Nacht ist es bildtechnisch auch schnell nicht mehr interessant.
Welche Rolle spielt für dich die Trailrunning-Szene? Könntest du nicht Ähnliches erleben beispielsweise bei den grossen Städtemarathons?
Bei den Trail-Rennen fühle ich mich wohl. Das ist wie eine eigene Community. Da triffst du wieder auf Bekannte. Das ist ganz anders als den grossen Volksläufen mit 10’000 Teilnehmern: viel familiärer, persönlicher.
Und was unternimmt der Trailrunning-Anhänger Matthias Bachmann in den Jahreszeiten ohne Trailruns?
Er trainiert viel und gern. Das letzte Rennen ist traditionell der SwissCityMarathon Lucerne. Anschliessend folgt der Weihnachts-Marathon, dieser nun in Anführungs- und Schlusszeichen. Da fehlt die Zeit für Wettkämpfe wie fürs Training. Erst Ende Januar beginne ich wieder – mit 5 bis 6 kg zu viel auf den Rippen und ohne die notwendigen Muskeln. Dann heisst es langsam steigern, damit ich wieder bereit bin im Sommer, bis ich wieder drei bis fünf Mal die Woche laufen kann. Meist bin ich 20 km und mehr unterwegs.
Das Gespräch mit Matthias Bachmann führte Jörg Greb
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