48h-Race (Photo: Dominik Erne)
48h-Race (Photo: Dominik Erne)

«48 Stunden sind eine echte Grenzerfahrung»

Dominik Erne ist Ultraläufer. Rennen während 24 oder sogar 48 Stunden reizen ihn. Im August hat er an der 48-Stunden-WM in Gloucester (GB) teilgenommen. Was fasziniert Dominik solche Herausforderungen anzunehmen? Und wie erlebte er dieses Rennen?

Dominik Erne, Du liefst kürzlich das 48-Stunden-WM-Rennen in Gloucester (GB) mit 340,564 km auf den vierten Platz und wurdest gleichzeitig Zweiter bei den M40 und Dritter im Team.  Wie fühlt man sich nach einer solchen Strapaze?
Erstaunlicherweise schon bald wieder sehr gut. Ich regenerierte relativ schnell –«Holz aalänge». Für die ersten sechs Tage danach verordnete ich mir: keinen Sport. Zum Körperlichen kam aber das Mentale. Da fühlte ich mich zuerst miserabel. Ich brauchte Zeit zu realisieren, was das heisst, mehr als 340 km am Stück bewältigt zu haben. Ich musste das verdauen.

Wie?
Ich habe viel geschlafen, habe mich gesundgegessen und ich begann erst nach sechs Tagen zu laufen. Nach 13 Tagen aber bestritt ich meinen nächsten Wettkampf.  

Verrückt…
(Lacht) Er führte nur über 13 km – mit 1150 Höhenmeter. Aber er glückte sehr gut: mit Rang 4 overall und dem Kategoriensieg. 

Ist eine solche Regeneration atypisch?
Das kann ich nicht beurteilen. 48-Stunden-Rennen sind auch für mich «eher unbekanntes Land». Diese WM war erst mein zweites solches Rennen. Bei der Premiere war ich schlechter trainiert und erreichte 295 km. Nun aber bereitete ich das Rennen zwei Monate explizit vor – inklusive Schlafpausen. ,mehr als 160 Wochenkilometern und, und, und. Trotzdem: Ich bin überrascht, wie ich mich regeneriert habe.

Kommen wir zum Rennen: Wie lief dieses ab?
Der Start war morgens um 10 auf einer 400-m-Bahn. Meine Taktik war klar: Mich durch die Schnellstarter nicht irritieren lassen. Ich lief die Kilometer zwischen 5:40 und 6 Minuten. Diesen Rhythmus versuchte ich so lange zu halten wie möglich.

Worauf hast du geachtet?
Vor allem auf das Essen, Trinken und kurze Siestas. In einem Excel-File hatte ich alles festgelegt: alle 20 Minuten Wasser trinken und Sponsergel sowie Bananen, alle drei Stunden ein Redbull, alle sechs bis sieben Stunden feste Nahrung, wie Pizza oder Pasta. Dahinter steckt ein Konzept. Dieses hatte ich im Kopf.

Und?
Nach 11 Stunden, es war 9 Uhr abends, war’s Zeit zum Hinunterfahren. Ich legte mich hin und entspannte 20 Minuten. Ich konnte zwar  nicht schlafen, doch die Augen schliessen und zu entspannen, war Gold wert.

Rundendrehen auf einer 400-m-Piste: Wir stellen uns das ziemlich monoton vor.
Da hat jeder seine eigene Ansicht. Ich finde das cool. Im Vergleich zu meinen Trail Runs in den Bergen schätze ich das Meditative. Du läufst wie in einem Tunnel. Die Runden gehen schnell vorüber – auch wenn die Uhr fast nicht vorwärtszukommen scheint. Auf der Bahn musst du abschalten, Einfach dein Ding tun.

Ist einem dieses Denken und Fühlen gegeben?
Nein, da steckt viel Training dahinter. Ich trainiere auch auf der Bahn. Zum Beispiel langsame Einheiten wie auch schnelle Läufe an der Schwelle über 30 km. Da laufe ich wie mit im Autopilot.

Trotzdem die Frage: Lieber Trail Run oder ein solches Bahnrennen?
Berge, also Trail..

Zurück zum 48-Stünder. Hieltest du dich bis am Schluss an deine Vorgaben?
Fast. In der zweiten Rennhälfte kamen zwei unvorhergesehene Änderungen hinzu. Nach 284 km spürte ich eine unglaubliche Hitze in meinem Körper. Ich schwitzte. Das war komisch. Das kenne ich so nicht von mir. Und das irritierte. Eine Kurzvisite beim Rennarzt ergab aber: Alles i.O, normale Werte.

Und wie ging’s danach?
Tipptopp. Wieder auf der Bahn, drehte ich wieder die Runden. Und die ungeplante, eineinhalbstündige Pause war mental erfrischend.

Gab es auch Momente, die dich überraschten?
Ganz viele. Am Anfang, also in den ersten 24 Stunden, lief es mir vorzüglich. Ich lief meist  zu Musik in der Schrittfrequenz. Ich richtete den Fokus auf die Atmung, konzentrierte mich auf die Schritte: links, rechts, links, rechts.  So hatte ich es geübt, Krisen zu umschiffen. Aber in der zweiten Nacht kam ich zu merkwürdigen Wahrnehmungen. Das Reaktionstempo liess nach. Und beim Reden mit den Mitkonkurrenten, realisierte ich: Du und auch die andern reden zum Teil wirres Zeug. Es war wie Schlafwandeln.

Beunruhigend.
Nicht wirklich. Ich wusste, dass es so weit kommen kann. Und ich konnte die Situation managen, weil ich mental darauf vorbereitet war. Ich schenkte der Atmung noch mehr Beachtung und nahm mehr Koffein, Gels, Elektrolyte zu mir nahm.

Welche Augenblicke waren besonders aufbauend?
Die 300 -km-Marke beflügelte. Ich freute mich: «Wow so weit bist du noch nie gerannt.» Die letzte Schlafpause gab Energie. Und während den letzten 3 Stunden flog ich nochmals richtig.

Woher kam diese Energie?
Ich freute mich auf das Ende und richtete meine Gedanken immer aufs Hier und Jetzt. Sagte mir: Unglaublich, was du alles schon geschafft hast, stark, Dom, weiter so. Das pushte. Und auch wichtig: Ich lief mehrere Runden mit Matteo (dem zweiten Schweizer Matteo Tenchio). Matteo lief es leider nicht so gut. In der ersten Nacht hatte er massive Probleme mit der Verdauung. Folge: Er konnte sein Potenzial nicht abrufen. Umso schöner, wie es ihm am zweiten Tag viel besser zu Recht kam. Die Aussicht, im Team zu reüssieren, gab ihm Auftrieb. Die Bronzemedaille in der Teamwertung war ein toller Abschluss.

Und gibt es eine besondere Sequenz aus dieser Schlussphase?
Ja, die letzten fünf Minuten. Diese Emotionen waren krass, etwas vom Krassesten, dass ich je erlebte. Und dann der Schlusspfiff. Fertig. Die 48 Stunden sind vorüber. Der erste Gedanke: endlich, gottseidank. Die mentale Kraft zum Weiterrennen hätte gefehlt. Das Ende war wie eine Erlösung.

Sind das andere Empfindungen als bei einem 24-Stunden-Rennen?
Sie sind intensiver. 48 Stunden, das ist eine andere Sportart. Du musst so viel im Voraus überlegen, planen und dich der Situation anpassen und umorganisieren. Vor allem das Schlafen stelle eine Riesenherausforderung dar. Der Körper sagt ständig: Jetzt reicht’s. 48 Stunden sind eine wahre Grenzerfahrung.

Zum Rennbericht: Dominik Erne 48h-Race

 

Das Gespräch mit Dominik Erne führte Jörg Greb.

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