Carlos do Aido (Photo: Carlos do Aido)
Carlos do Aido (Photo: Carlos do Aido)

„Ich habe unglaublich viel zurückerhalten“

Der portugiesisch-schweizerische Doppelbürger Carlos do Aido (53) verbindet seine Lauf-Leidenschaft für Ultradistanzen und in den Bergen mit wohltätigen Projekten- und: Er zieht daraus persönlich einen immensen Nutzen.

Carlos do Aido, wie hast du das Laufjahr 2023 erlebt?
Das vergangene Jahr bot viel. Es war für mich aber so etwas wie ein Zwischenjahr. Der Höhepunkt: Ich erhielt einen Startplatz am UTMB Mont Blanc in Frankreich, und ich bewältigte das 100-km-Rennen erfolgreich. Ansonsten nichts Besonderes: Trainingskilometer und diverse Läufe wie den Klassiker Jungfrau Marathon, den Engadin Ultra Trail, regionale Bergläufe, die Jura Top Tour.

Kein Vergleich zum Vorjahr 
(lacht) Richtig. 2021 zeigte sich, dass mein Vater an Krebs leidet. Ich wollte ihn unterstützen, wollte etwas tun und erkannte rasch, wie machtlos ich bin…

.. und dann?
Kam mir die Idee einer anderen Art. Anstatt, dass ich jedes Jahr einen Beitrag an die Krebsliga spende, wollte ich explizit Kinder mit Krebs unterstützen. Ich rief das Projekt «Jeder Kilometer zählt» ins Leben. Meine Absicht. Regelmässig und viel Laufen, für jeden Kilometer Sponsorengelder sammeln und Personen animieren, durch diese Aktion zu spenden für die Kinderkrebshilfe Schweiz in Olten.

Wie gingest du das Projekt von der sportlichen Seite her an?
Ich nahm mir vor, jeden Tag des Jahres die Schuhe zu schnüren: zu laufen, Wettkämpfe zu bestreiten oder auch zu wandern. Via Tracker addierte ich die Kilometer.

Gelang es dir, diese Vorgabe durchzuziehen?
Ich hab’s nicht ganz geschafft. 2022 war ja noch ein Corona-Jahr, und auch mich hat es zwei, drei Wochen ins Bett gezwungen. Das anfängliche Dagegenhalten funktionierte nicht. Sonst aber ist’s zum Glück sehr gut gelaufen, auch wenn es psychisch sehr anstrengend wurde. Die Befürchtung, die Knie-Knieoperation mit dem Meniskusriss vom Vorjahr spielte nicht den Spielverderber. Und die «Presteli», die Achillessehnen, die Leiste, konnte ich mit «Päppele, Sälbele und Massieren» überwinden.

Gab’s einen Höhepunkt?
Ja, der gezielt angesteuerte: Portugal 1001, die 1001 Kilometer von Chaves ganz im Norden Portugals bis nach Sagres ganz in den Süden in die Algarve. Ein 14-Tage-Abenteuer. Das war grossartig. Jeden Tag gut 72 Kilometer. Portugal 1001 hatte eine grosse Bedeutung. Neben dem Laufen für den guten Zweck benötigte ich auch ein Ziel – ein Ziel notabene, das ich ohne Patzer durchziehen konnte.

Du hast übers ganze Jahr nicht wie ursprünglich angepeilt ca. 3500 Kilometer zurückgelegt, sondern 5750. Was hast du persönlich mitgenommen aus diesem Laufjahr?
Enorm viel Freude, eine Riesenfreude. Ich habe das Gefühl vom 31. Dezember tief in mir präsent: Diese Kilometerzahl, diese Genugtuung, die ganz unterschiedlichen Emotionen. Und all das Erlebte und die vielen Begegnungen mit sehr netten Läufern. Und der Geldbetrag von 11’539 Franken, den ich als Einzelkämpfer an die Kinderkrebshilfe habe überweisen können: Er machte und macht mich Stolz.

Wie wurdest du unterstützt?
Unterschiedlich. Es gab Leute, die spendeten einen fixen Rappenbetrag pro Kilometer. Es gab Direktspenden. Ich bin für jede Spende dankbar, und ebenso auf meine Familie: Ohne ihre Unterstützung wären dieses Jahr und dieses Projekt nie möglich gewesen. Ich bin für jede Spende dankbar und bedanke mich auch auf diesem Weg ganz herzlich.

Unglaubliche Zahlen zeigen sich in deiner Laufschluss-Statistik.
Genau. Ich lief neben meiner Vollzeitarbeit als Informatiker pro Monat zwischen 350 und über 600 Kilometer. Insgesamt summierten sich neben den 5750 Kilometern 91’235 Höhenmeter in insgesamt 343 Laufeinheiten.

Das heisst, dass du wirklich fast täglich unterwegs gewesen bist?
Kann man so sagen, ja – ausser eben den Corona-Tagen. Ich lief durchschnittlich pro Tag 15 bis 20 Kilometer. Es gab vereinzelte Tage mit zwei Einheiten. Zum Beispiel mit dem Weissenstein-Berglauf und nachher dem Heimjoggen nach Oberbuchsitten.

Gibt es Pläne für ein ähnliches Projekt?
(Schmunzelt) Da ist etwas am Entstehen. Gross kommunizieren will ich das aber noch nicht. Nur so viel: 2024 wird das neue Projekt aufgegleist, 2025 soll es stattfinden. Es wird wieder etwas in die ähnliche Richtung gehen, einen ähnlichen Hintergrund haben. Aber «Jeder Kilometer zählt» gilt ja nicht nur für Fuss-Kilometer. Bereits jetzt geht es darum, die Form aufzubauen und die Basis zu legen.

Was motiviert dich zu diesem Neuanlauf?
Ich habe unglaublich viel zurückerhalten. Das ist schier unbeschreiblich, «Jeder Kilometer zählt» war eine Supererfahrung. Nicht zuletzt sorgte es für eine innere Ruhe. Und der Satz: Von nichts kommt nichts, hat für mich eine noch tiefere Bedeutung erhalten.

Das Gespräch mit Carlos do Aido führte Jörg Greb

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