Patrick Nöthiger (Photo: Patrick Nöthiger)
Patrick Nöthiger (Photo: Patrick Nöthiger)

«Ich brauchte zwei Monate, um mir das Ganze vorzustellen»

Seit dem Gründungsjahr der “never walk alone”-Laufbewegung bei PluSport im Jahr 2015 ist Patrick Nöthiger ein aktiver Teilnehmer davon. PluSport fördert mit der Laufbewegung „never walk alone“ den selbstbestimmten Zugang für Laufsportlerinnen und Laufsportler mit Beeinträchtigung an Schweizer Volksläufen. Seit 2023 sind 18 Laufveranstaltungen im Programm. Diverse Partnerschaften machen dies möglich.

Patrick Nöthiger ist außerdem Mitglied einer begeisterten Laufgruppe rund um Marlis und Jürg Meier von PluSport Wohlen-Lenzburg. Diese Laufgruppe nimmt seit 2015 jedes Jahr an mehreren “never walk alone”-Laufveranstaltungen teil. Obwohl der Ironman 70.3 in Rapperswil nicht offiziell zum “never walk alone”-Laufkalender gehört, bereitet sich Patrick Nöthiger durch seine Teilnahme an mehreren Halbmarathons bei “never walk alone”-Veranstaltungen auf diesen herausfordernden Wettkampf vor. Von seiner ersten Teilnahme am Ironman 70.3 in Rapperswil erzählt er im untenstehenden Interview.

Patrick Nöthiger, vor bald zwei Jahren sorgtest du am Fernsehen für breite Aufmerksamkeit. Als begeisterter Sportler mit einer geistigen Einschränkung hattest du dich mit dem Triathlon-Profi Jan van Berkel auf den Ironman 70.3 in Rapperswil-Jona vorbereitet. Und du bewältigtest diese Herausforderung am Renntag erfolgreich Wie erinnerst du dich an jenes Projekt zurück?
Dieser Ironman 70.3: Das ist das Grösste gewesen, das ich je machen durfte, mein wichtigstes Ereignis.

Wie ist es dazu gekommen?
Das weiss ich ganz genau. Am 17. März 2021 machten unsere Trainer Marlis und Jürg Meier im Behindertensportclub Wohlen-Lenzburg mich und meinen Trainingskollegen Patrick Schweiger auf dieses Projekt aufmerksam.

Was löste das bei dir aus?
Ich wurde ganz nervös. Das war eine Riesensache. Mir war klar, was gefordert war: 1,9 km Schwimmen, 90 km Velofahren, einen Halbmarathon Rennen. Ich benötigte zwei Monate, um mir das Ganze vorzustellen.

Was heisst das?
Ich hatte keine Ahnung darüber, welcher Aufwand gefordert sein wird. 

Wie entwickelte sich das Ganze?
Mitte Mai jenes Jahres kam Jan (van Berkel) zu uns nach Wohlen ins Leichtathletik-Training. Ab diesem Zeitpunkt war ich Feuer und Flamme.

Begannst du mehr zu trainieren.
Viel mehr. Ich steigerte den Trainingsumfang von zwei bis drei Mal pro Woche über vier, fünf, sechs Einheiten bis zu neun.

Gab’s auch die Angst zu scheitern?
Nein, aber Respekt war da.

Wie hat sich das Vertrauen entwickelt?
Je mehr und je intensiver ich zu trainieren begann. Ich konnte mir immer besser vorstellen, was mich erwartet.

Mit der Disziplin Schwimmen aber bist du nicht so klar geworden, wie es sich van Berkel vorgestellt hatte.
Richtig. Jan meinte Crawlen sei schneller und kräfteschonender. Ich kam mit dieser Technik aber nicht klar. Als wir auf Brustschwimmen umstellten, ging es rasch aufwärts. Ich tat den Knopf auf. Mit der der Brust-Technik liebte ich das Schwimm-Training. Ich konnte meine Stärke ausspielen.

Wie brachtest du alles unter einen Hut? Arbeit, Training, Alltag, Erholung?
Ich musste auf viel verzichten. Das habe ich aber gerne in Kauf genommen. Der Ironman und dieses Erlebnis standen im Vordergrund. Und ich lernte viele neue Leute kennen. Ich machte wertvolle Erfahrungen.

Was haben dieser Ironman 70.3, die Vorbereitung und das Rennen hinterher, ausgelöst?
Ich traue mir seither viel mehr zu. Der Respekt gegenüber Herausforderungen hat sich verändert. Ich habe ein Selbstvertrauen entwickelt, um mich auch grossen Dingen anzunehmen und dafür zu kämpfen. Seit diesem Event trage ich das Gefühl in mir: Ja, auch ich kann vieles.

Hat sich seither dein Sportleralltag verändert?
Wenig. Oder doch. Ich laufe seither regelmässig Halbmarathons. Das tat ich vorher nie, und jetzt sind die 21,1 km meine Lieblingsdistanz geworden.

Und der Marathon?
(Schmunzelt) Ich sagte mir: Wenn ich einen Halbmarathon innerhalb eines Ironman 70.3 bewältige, schaffe ich auch einen Marathon. Ich wage mich Ende Oktober in Luzern daran. Das ist mein grosses Ziel für dieses Jahr.

Hast du wiederum einen prominenten Coach?
Nein. Meine Trainer des Behinderten-Sportclubs Wohlen-Lenzburg leiten mich an. (Lacht erneut) Aber vielleicht frage ich Jan um einen Tipp.

Du betreibst den Sport neben deiner Vollzeit-Tätigkeit als Hauswart im Altersheim von Muri AG. Wie sieht eine Trainingswoche von dir aus?
Jeden Mittwoch und Freitag besuche ich unser Gruppentraining des BSC in Wohlen. Im Sommer widmen wir uns der Leichtathletik, im Winter dem Unihockey. Zusätzlich plane ich ein drittes, individuelles Training ein. Meist laufe ich dann Distanzen zwischen 13 und 17 Kilometern. Im Winter, wenn’s dunkel ist, absolviere ich dieses auf der Leichtathletik-Bahn. Dann drehe ich 25 Runden, laufe also 10 Kilometer auf diese Weise.

Wie hat sich deine Begeisterung für den Sport entwickelt?
Sport war mir immer sehr wichtig. Ich durfte schon drei Mal an den Behinderten-Weltspielen teilnehmen, nachdem ich 2006 richtig zu trainieren begann. Im folgenden Jahr gehörte ich dem Schweizer Nationalteam in Shanghai an, 2015 jenem in Los Angeles und letztes Jahr jenem in Berlin. Das waren unglaubliche Wettkämpfe und grossartige Höhepunkte in meiner Karriere.

Du bist ein Vielstarter….
Schon. Vor allem an Läufen. Aber Laufen ist meine absolute Leidenschaft, meine Welt. Und fürs Laufen kämpfe ich. Und ich bin sehr ehrgeizig. Ich freue mich, wenn mir eine gute Leistung gelingt. Ich bin stolz, wenn ich mich steigern kann und ich neue Bestzeiten aufstelle – auch jetzt noch, mit bald 40. 

Wer unterstützt dich?
Vor allem mein Klub, die Trainerinnen und Trainer sowie PluSport mit der Laufbewegung „never walk alone“.

Heisst?
Ohne PluSport wären all meine Wettkämpfe kaum möglich geworden und würden es auch jetzt nicht. Die Unterstützung ist riesig: organisatorisch und ideell. Das Startgeld wird übernommen. Für all das bin ich enorm dankbar.

 

Das Gespräch mit Patrick Nöthiger führte Jörg Greb.

Swiss Athletics und PluSport fördern gemeinsam Inklusion in der Leichtathletik. Bei den Nachwuchsprojekten von Swiss Athletics sind alle willkommen. In dieser Saison können Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung im Alter von 7 bis 15 Jahren erstmals bei allen drei Nachwuchsprojekten Wettkampfluft schnuppern und sich sportlich in der Kategorie «for all» miteinander messen. Interessierte melden sich gerne bei Cristina Stefan, Projektleiterin Inklusion, unter cristinastefan@swiss-athletics.ch

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