Aina Scherling (19) aus Guttannen und von TV Meiringen gehört zu den talentiertesten Schweizer Bergläuferinnen. Sie wohnt mit ihrer Schwester Sina in Bern und studiert in Zürich Psychomotoriktherapie.
Aina Scherling, bereits ist in den Bergen der erste Schnee gefallen. Was bedeutet das für eine Bergläuferin wie dich?
Du musst unten bleiben und kannst weniger in die Höhe streben und Berge ansteuern. Das ist vor allem am Wochenende schade. Denn richtig schön ist es weiteroben, über der Baumgrenze.
Wie verlief für dich die vergangene Berglauf-Saison?
Der Höhepunkt war ganz klar die Berglauf-EM in Annecy (Fr). Mit den Rängen 13 (Up and Down) und 15 (Berglauf) war ich zwar nicht wirklich zufrieden, weil ich nicht abrufen konnte, was ich und andere Bezugspersonen für möglich hielten. Aber es war trotzdem ein sehr schönes und lehrreiches Erlebnis. Ich denke in dieser Saison habe ich insgesamt sehr viele wichtige Erfahrungen gemacht.
Wie und warum bist du Bergläuferin geworden?
Zum Laufen gekommen bin ich durch meine zwei Jahre ältere Schwester Sina. Sie lief an der Mille Gruyère, und bald machte ich auch einfach mit. Sie war gut und ich eiferte ihr nach. Wir trainierten damals zu zweit selbstangeleitet, irgendwie und irgendwas. Gegen Ende der Primarschule schlossen wir uns der Laufgruppe Willigen an, die unsere Begeisterung noch grösser machte.
Wie entwickelte sich die Vorliebe für den Berglauf?
Zuerst lief ich überall: auf der Bahn, der Strasse, bei Bergläufen. Bald merkte ich aber, dass mir der Berglauf besonders viel Spass bereitet: die Berge, die Natur. 2020 lief ich zum ersten Mal an einer Berglauf SM mit. Im folgenden Jahr nahm ich am Jugend-Camp von Swiss Athletics mit Judith Wyder und Gabriel Lombriser teil. Da habe ich gemerkt: Berglauf ist meine Welt. Seither fokussiere ich mich stärker
«Da habe ich gemerkt: Berglauf ist meine Welt»
Wie sieht dein Trainingsalltag aus?
Thomas Hürzeler (der Berglauf-Nationalcoach) macht mir den Plan. Meist laufe ich sechs Mal die Woche, wovon zwei Mal intensiv. Der Rest sind Dauerläufe. Hinzu kommen regelmässige Sequenzen für die Rumpfstabilität.
Trainierst du hauptsächlich mit deiner Schwester?
Leider nicht wirklich. Wir teilen uns in Bern zwar unseren Haushalt, aber wenn wir es einmal pro Woche zum gemeinsamen Laufen schaffen, ist dies toll. Die Tagespläne passen meistens nicht zusammen. Darum laufe ich vor allem alleine.
Was steht in den kommenden Wochen und Monaten im Zentrum?
Da geht es bei uns wie bei allen Läuferinnen und Läufern ums Erarbeiten der Grundlagen. Ausdauerschulung und Kilometer sind gefragt. Statt Bergläufe bestreite ich Cross’.
Wie peilst du deine Wettkampfform im Frühling an?
Im April stehen die ersten Bergläufe an. Das erfordert spezifisches Training, etwa mit Intervallen am Berg und Up-and down-Trainings.
Und Bahntrainings?
Grundsätzlich wären sie wichtig, für den Speed, die Tempofestigkeit. Aber ich muss zugeben: In diesem Jahr war ich kaum auf der Bahn, ausser in den Trainingslagern. Ich habe grundsätzlich nichts gegen die Bahntrainings, aber wenn ich auslesen kann, fällt die Wahl klar auf den Berg. Bergläufe mach ich richtig gern. Bergläufe sind wie ein Spiel. Die Motivation kommt von ganz tief innen.
Wie kombinierst du dieses intensive Programm mit Studium, Freizeit, Hobbies?
Mit dem Studium klappt das perfekt. Meist habe ich nur drei Tage mit Präsenzunterricht – und das auch nur bis am Mittag. Der Rest ist Selbststudium. So kann ich mir den Tag selber einteilen. Neben dem Sport und dem Studium spiele ich Geige. Ich nehme Unterricht, spiele aber inzwischen für mich alleine. Bis vor Kurzem spielte ich Theater bei der Jungen Bühne Bern. Weil’s neben dem Sport zu viel wurde, habe ich aufgehört. Ich wollte die Prioritäten anders setzen.
«Am 26. Oktober organisieren wir bereits die 11. Austragung des Stärnenloifs»
Welchen Stellenwert schenkst du der Erholung?
Ich achte gezielt darauf und gebe mir Mühe. Ich schlafe genügend und versuche nach den Trainings etwas Ruhiges zu tun. Nach Dauerläufen bin ich aber nicht richtig müde und komme stets auf gute Ideen, anderes zu tun.
Was strebst du in den folgenden Jahren an?
Dieses Jahr war mein letztes U20-Jahr. 2025 wird schwieriger. Im Berglauf gibt es keine U23-Kategortie. Aber ich mache mir keinen Druck und versuche meine eigenen Leistungen zu verbessern, um mich dann in ein paar Jahren mit der Elite messen zu können. Vom Tisch ist aber die Frage, ob ich aufhören möchte. Ich merkte: Mir würde zu vieles fehlen. Und ich bekomme von so vielen Seiten wertvolle Unterstützung.
Noch steht ein persönlicher Höhepunkt an: der Stärnenloif Ende Monat in deinem Wohnort Guttannen.
Richtig. Am 26. Oktober organisieren wir bereits die 11. Austragung. Meine Schwester und ich riefen diesen Lauf im Zusammenhang mit den Sternenwochen von UNICEF ins Leben, nachdem wir als Kinder bereits andere Sammelaktionen durchgeführt hatten. Die Idee vom Stärnenloif hatte meine Mutter. Und wir zogen es durch. Wenn wir etwas beginnen, hören wir nicht einfach auf.
Der Erfolg gibt euch Recht…
Genau. Es kommen immer mehr Leute nach Guttannen, Kinder und Erwachsene. Und sie kommen gern. Das Familiäre ist geblieben. Für Sina und mich ist der Stärnenloif eine Herzensangelegenheit geblieben. Etwas tun für die Welt und für Kinder, die es schwer haben. Gleichzeitig können wir unsere Leidenschaft weitervermitteln: das Laufen. Der Stärnenloif hat sich zu einem Höhepunkt des Laufjahres entwickelt.
Was wirft euer Rennen ungefähr ab?
Letztes Jahr überwiesen wir Fr. 2500 : die Einnahmen aus dem Lauf (Startgeld für Kinder: Fr. 5/für Erwachsene Fr. 10) wie aus der Cafeteria mit unseren meist selbstgebackenen Kuchen. Auch wenn es sich um keinen Riesenbeitrag handelt, sind wir glücklich, unseren kleinen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.
Das Gespräch mit Aina Scherling führte Jörg Greb.
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