Nach einer erfolgreichen Saison blickt Jonas Soldini auf seine Höhepunkte im vergangenen Jahr zurück. Die Balance zwischen seinem Medizinstudium in Freiburg und seiner Karriere als vielseitiger Athlet ist bemerkenswert. Er hebt die wichtigsten Punkte seines Trainings hervor und verrät seine Ambitionen für das nächste Jahr.
Jonas Soldini, du profilierst dich seit Jahren als Berg- Trail- sowie Strassenläufer und feiertest auch als OL-Läufer internationale Medaillen. Erfolgreicher als im 2024 aber warst du noch nie. Wie kommt das?
Ich habe umgestellt und bin fokussierter unterwegs gewesen. Ende letztes Jahr gab ich meinen Rücktritt aus dem OL-Nationalkader. 2024 konzentrierte ich mich primär auf den Berglauf. Aber es stimmt, ich bin gerne in verschiedensten Laufsparten unterwegs, nach wie vor.
Was war dein Saisonhighlight des zu Ende gehenden Jahres?
Mein Hauptziel war die Berglauf-EM in Annecy (Fr) vom vergangenen Juni. Ich belegte bei der Elite Platz 9. Zu prägenden Erlebnissen und Ergebnissen kam ich auch bei der Golden Trail World Serie. In den USA erkämpfte ich mir einen zweiten und einen neunten Platz. Das zeigt: Ich habe die Balance gefunden zwischen Leistungssport und Studium.
Du absolvierst nicht irgend ein Studium, sondern studierst in Fribourg Medizin – ein sehr anspruchsvolles und zeitintensives Studium.
Das ist richtig und auch ausschlaggebend für die Abkehr vom OL und die Konzentration auf den Berglauf und das Trail Running. Rennen ist die Sportart, die am meisten Flexibilität zulässt. Ich laufe jeden Mittag zwischen den Vorlesungen. So passt es für mich, auch wenn mir die Erholungszeit und Möglichkeiten eines Profis fehlen.
Wie kommst du auf die grossen Kilometerumfänge?
(Lacht) Mein Körper braucht nicht so viele Kilometer. Ich laufe zwischen sieben und zehn Stunden die Woche und zwischen 70 und 100 km – mit 2000 bis 4000 Höhenmetern. Ich laufe auch nur einmal pro Tag. Das ist im Vergleich mit anderen wenig. Würde ich 200 km die Woche rennen neben meinem Medizinstudium, sähe ich mich schnell durch ein Burnout gebremst. So aber funktioniert das Zusammenspiel sehr gut. Da hat auch das soziale Leben Platz, und die Erholung kommt nicht zu kurz.
Hat sich diese Balance von allein ergeben?
Nein. Zu Beginn meines Studiums war ich oft verletzt. Jetzt aber habe ich das Ganze sehr gut adaptieren können. Ich spüre meinen Körper und schenke seinen Zeichen Beachtung. Das Laufen befreit den Kopf. Laufen und Studium ergänzen sich.
«Ein glücklicher Läufer ist ein schnellerer Läufer»
Auch dank Hilfe von aussen?
Ja. Besprach ich einst meinen Aufbau mit meinem früheren OL-Kollegen Terence Risse, vertraue ich seit diesem Jahr auf die Planung des erfahrenen französisch Coaches Rémi Rivet. Diese Zusammenarbeit ist ein Glück. Wir kommunizieren auf Distanz praktisch täglich. Er schickt mir seine Pläne. Und er ist sehr offen – zum Beispiel in Prüfungsphasen des Studiums.
Wo siehst du noch Steigerungspotenzial?
Die Veränderungen brauchen Zeit. Jetzt aber spüre ich die Fortschritte.
Willst du weiterhin auf allen Hochzeiten tanzen?
Ja. Mich fasziniert die Vielfalt von 3000-m-Bahnläufen bis zum Marathon, von Strassenlauf, Cross, Berglauf und Trail. So lange ich erfolgreich bleibe, will ich so weitermachen. Durch die unterschiedlichen Anforderungen bleibe ich flexibel. Wenn’s zu harzen beginnt, habe ich noch genügend Zeit, mich zu spezialisieren….
Und…
Intelligent geplant ergeben sich so Synergieeffekte. Ein Beispiel dafür: Laufe ich flach schnell und ökonomisch, profitiere ich auch als Bergläufer. Und flach profitiere ich vom Berglauf: Up- und Downhill-Läufe sind gut zum Erholen.
Das Laufen fasziniert dich generell?
Genau. Das Laufen beschäftigt mich immer. Mich fasziniert auch das Wissenschaftliche, Analytische, die Mathematik dahinter. Ich kann die Fortschritte messen und ich kann daraus Schlüsse ziehen. In den letzten Monaten schenke ich auch der Ernährung höhere Priorität. Ich brauche viel Energie, Kohlenhydrate, Enzyme etc. Gleichzeitig will ich keine unnötigen Kilos herumtragen. Auch in diesem Bereich will ich weiterkommen. Spannend als Läufer und Medizinstudent dünkt mich, wie die Velorennfahrer alles messen und ausrechnen. Noch ist das Wissen in diesem Bereich nicht allzu gross, insbesondere, weil jede Läuferin und jeder Läufer eine individuelle Anlage mitbringt.
Heisst?
Ich habe erkannt, wie wichtig der mentale Bereich ist. Dieser ist ebenso bedeutend wie der physische. Früher mass ich dem keine Bedeutung bei. Jetzt weiss ich: Ein glücklicher Läufer ist ein schnellerer Läufer. Diese Erkenntnis kommt mir im ganzen Leben zugute, nicht zuletzt im Studium. Seit drei Monaten arbeite ich deshalb mit einem Mentalcoach zusammen. Ich erkenne nun: Ich darf nicht zu viel Druck haben. Ich bin überzeugt: Spitzensportler müssen sich diesem Punkt zuwenden, offen sein und diskutieren. Da lassen sich einige Prozente herausholen.
Und welche Pläne hast du fürs 2025?
Die Berglauf-WM in Spanien Ende September ist das grosse Ziel. Ich peile eine Platzierung in den Top-ten an. Auf dem Weg dorthin kommt zuerst die Escalade in Genf, am Jahresende ein 10-km-Rennen in Nizza, im Februar wohl ein Halbmarathon, das Cross an den CISM-Winterspielen in Luzern Ende März und ab dem Frühling wieder die Bergläufe und die Golden Trail Serie. Rund vier Monate richtet sich der Fokus nun auf die Strasse.
Das Gespräch mit Jonas Soldini führte Jörg Greb.
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